Gefühlt haben wir die Debatte darüber, ob Frauen in der Öffentlichkeit stillen dürfen, gerade erst hinter uns gebracht. Sie wird nur noch von einige konservativer Gesinnten weitergeführt. Doch es gibt bereits neuen Gesprächsstoff: Frauen, die das Stillen bewusst ablehnen. Mütter, die bewusst nicht stillen gelten oft sogar als „Rabenmütter“. Dabei sollte es doch jedem selbst überlassen sein, ob er seinem Kind die Brust gibt oder eben nicht.
Statistisch gesehen kriegen die meisten Frauen in Deutschland mit 30 ihr erstes Kind. Larissa ist mit 21 Jahren Mutter geworden, für heutige Verhältnisse also jung. Das Stillen wollte bei ihr einfach nicht klappen, sie versuchte es weinend und legte ihre Tochte alle fünf Minuten an. Die wollte die Brust nicht nehmen und wenn, dann kam kaum Milch. „Ausgerechnet du? Eigentlich ist dein Körper genau in der richtigen Zeit, um alle Funktionen zu erfüllen“, gehässige Kommentare wie diese wurden Larissa stets im Deckmantel vermeintlicher Nettigkeit serviert. Ihre Nachtschwester brachte ihr einmal die Flasche und war zum Glück sensibler. Sie sagte, Larissa solle sich keinen Druck machen: „Meine Cousine wiederum war der Meinung, ich müsste es schlicht und einfach mehr wollen. Das sagte sie ihrer Mutter, die es wiederum meiner Mutter am Telefon weitergab. Ich war offensichtlich schon zum Gesprächsthema Nummer Eins geworden“.
Bewusst nicht stillen wollen, nicht stillen können
Bei Larissa lösten diese Kommentare das Gefühl aus, nicht zu genügen: „Als hätte ich versagt: Voraussetzung top, persönliche Leistung flop“. Deshalb griff sie nach zehn Tagen zu Ersatzmilch: „Es war mir wichtiger, meine Nerven für mein Kind zu sparen und nicht für irgendwelche Still-Probleme und die Diskussion darüber“.
Auch Larissas Schwester Mareike ist Mutter geworden, drei Jahre später als Larissa selbst. Im Gegensatz zu ihrer Schwester entschied Mareike sich aus eigenen Stücken und schon vor der Geburt bewusst gegen das Stillen mit der Brust: „Die Meisten dachten, ich nutze das als Ausrede, weil ich Angst habe, nicht Stillen zu können. In Wirklichkeit hatte ich bei Larissa beobachtet, wie gut das Fläschen funktioniert. Ich fand es viel schöner, dass auch mein Mann die Augabe des Stillens übernehmen konnte und ich schneller selbstständig war“. Mareike wollte also ganz bewusst nicht stillen und hatte dafür eben auch ihre Gründe.
Es gibt viele unterschiedliche Still-Geschichten
Die Geschichten von Müttern und ihren Entscheidungen sind individuell und persönlich, dementsprechend schwer ist es, allgemeingültige Ratschläge zu geben. Im Folgenden sind deshalb möglichst wertungsfrei die wichtigsten Fakten gesammelt.
Vorteile des Stillens für Kind und Mutter
Die Muttermilch enthält alles, was das Baby für sein Wachstum und eine gesunde Entwicklung braucht. Besonders Frühchen oder kranke Neugeborene profitieren, denn es steigert die Abwehrkräfte des Neugeborenen und schützt somit vor Infektionen und Allergien. In den ersten Lebensmonaten passen sich Menge und Zusammensetzung der Muttermilch an die jeweilige Wachstumsphase der Babys an.
Es gibt auch Vorteile für die Gesundheit der Mütter. Bei ihnen soll der Stillprozess für die beschleunigte Rückbildung der Gebärmutter sorgen, sowie die schnellere Ausscheidung von eingelagertem Wasser. Außerdem sinkt das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs. Der Hautkontakt und die Hormonausschüttung beim Stillen unterstützen die Mutter-Kind-Bindung. Beide entspannen und Mamas Atem- und Herzrythmus fühlen sich für das Kind schnell vertraut an.
Praktische Vorteile sind, dass man die Milch immer dabei hat, stets wohl temperiert und umweltschonend “verpackt“. Außerdem ist die Muttermilch kostenlos. Zu den Ausgaben für Fertignahrung kommen Kosten für das Fläschchen, den Sauger und Wasser zum Anrühren des Pulvers hinzu, sollte die Leitungswasserqualität bedenklich sein. Flaschentrichter, ein Halter, ein Wärmer – nicht auf alles ist man angewiesen, aber häufig greifen Paare auch zu diesen Utensilien.
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Nachteile des Stillens für das Kind und die Mutter
Bei fast keiner Mutter funktioniert das Stillen problemlos – das stresst. Allein der Milcheinschuss der ersten Tagen nach der Geburt fühlt sich oft unangenehm an. Wunde Brustwarzen oder ein Milchstau sind normal. Ein weiterer Nachteil kann sein, dass nicht klar erkennbar ist, ob das Kind genug getrunken hat.
Stillen kann den Wiedereinstieg im Beruf und Alltag erschweren. Das Stillen sollte keinen Einfluss auf die Selbstbestimmung der Frau nehmen, doch für manche ist das. Sie beschreiben es zudem als persönlichen Druck, allein für die Ernährung des Kindes verantwortlich zu sein. Eine Mutter muss sich genauso weiterhin als Kollegin, Schwester, Freundin, Frau fühlen dürfen. Das sollte man auch als Teil des Umfelds der Frau bedenken. Für die meisten ein nebensächliches Argument, aber trotzdem nennbar ist auch die Tatsache, dass man auf bestimmte Lebensmittel verzichten muss.
Bewusst nicht stillen – Wie gut ist Ersatzmilch heutzutage entwickelt?
Heutzutage ist die Ersatzmilch der Muttermilch nachempfunden und enthält alle Nährstoffe, Mineralien und Spurenelemente, die Babys benötigen. In Deutschland sorgen unzählige Kontrollen und Richtlinien für eine sichere Ersatznahrung. So ist es medizinisch kein Problem mehr, wenn eine Frau sich entscheidet, nicht zu Stillen.
Nicht auf jede Studie verlassen
Es gibt einige Studien, die besagen, dass gestillte Kinder gesünder, schlanker, klüger und selbstbewusster seien. Doch diesen Studien stehen auch Gegenstudien gegenüber, wie die von Gesundheitsforschern der Ohio State University. Laut ihrer groß angelegten Untersuchung entwickeln sich Flaschenkinder nur unwesentlich anders als Stillkinder – vorausgesetzt, sie wachsen in ähnlichen sozialen und familiären Verhältnissen auf.
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Was du machen kannst, wenn du unentschlossen bist
In erster Linie hilft es, mit Hebammen und Ärzten zu reden, genauso mit Freunden und Familienmitgliedern, denen man vertraut. Wenn man sich nicht sicher ist, ob man stillen möchte oder nicht, dann ist es auch eine Möglichkeit, die Geburt abzuwarten und dann einfach das Kind anzulegen. So kann man ausprobieren, wie man sich damit fühlt. Abstillen ist immer noch jederzeit möglich. Auch dabei kannst Du Dir Unterstützung von Hebammen holen.
Man kann auch einen Mittelweg gehen, durch einen Vorrat an abgepumpter Muttermilch. So können Frauen die Versorgung auch mal Anderen überlassen und Termine oder Verabredungen wahrnehmen. Wer Probleme beim Stillen hat, kann auf Fertignahrung zurückgreifen und beides abwechseln, um die Brust zu entlasten. Manche Kinder sind davon verwirrt, aber längst nicht alle. Flaschen mit einem Sauger mit kleinem Loch können dabei helfen.
Auch wenn die Weltgesundheitsorganisation, Unicef und Co. nach wie vor sechs Monate klassische Stillzeit empfehlen und auch wenn Ärzte davon sprechen, dass mindestens vier Monate Stillzeit optimal sind – die Entscheidung liegt am Ende bei der Mutter. Die aktuelle medizinische Versorgung und die damit einhergehenden Möglichkeiten, sind ein Segen für alle. In erster Linie zählen Liebe, Nähe und Fürsorge für einen gesunden Start ins Leben.
Bewusst nicht stillen wollen – du bist dir sicher, dass du die Flasche geben möchtest?
Dann ist das alleine deine Entscheidung und völlig okay. Tatsächlich bin ich mir sehr sicher, dass mehr Mütter diese Entscheidung nachvollziehen können oder gar beneiden, als du meinst. Denn wenn man sich als Mutter im nahen Umkreis mal umhört, wird doch klar, dass sehr viele junge Mamas nicht gestillt haben oder nach kurzer Stillzeit schnell auf das Fläschchen umgestiegen sind. Wer nicht stillen möchte, hat dafür in der Regel auch seine Gründe oder kann es sich schlichtweg nicht vorstellen, das Baby über die eigene Brust zu ernähren. Hier bedarf es keiner weiteren Diskussion, schon gar nicht mit Menschen, die nicht zu deinem sehr engen Umfeld gehören.
Und wenn man mal ehrlich ist, haben es auch stillende Mütter oft nicht leicht und bekommen mindestens ebenso häufig wertende Kommentare von den lieben Mitmenschen zu hören. Die eine Mama ist eine „Rabenmutter“, sie still gar nicht! Die andere Mama bekommt es nicht auf die Reihe, ihr Kind vernünftig zu stillen und die dritte Mama ist sowieso völlig verrückt, da sie ihr Kind über das erste Lebensjahr hinaus stillt. Man kann es generell eben nicht allen Mitmenschen Recht machen und Meinungen gehen in diesem Thema ebenso auseinander, wie es bei jedem anderen Thema auch der Fall ist. Ich denke nur, dass sich insbesondere junge oder werdende Mütter über die verschiedenen Meinungen sehr viele Gedanken machen und sich dann eben auch schnell abgewertet fühlen. Das liegt daran, dass wir für unsere Kinder einfach nur das Beste möchten und sie in ihrer Entwicklung keinesfalls beeinträchtigen wollen.
Nicht stillen – das kannst du vor der Geburt deines Kindes erledigen
Wenn du im Krankenhaus entbinden möchtest, dann erkundige nach einem Besichtigungstermin und einem Hebammengespräch. Die meisten Entbindungsstationen bieten zum Ende der Schwangerschaft hin ein solches Vorabgespräch an. Während dieses Termins hast du oft auch die Möglichkeit dir die Kreißsäle anzusehen und manchmal auch die Wochenbettstation. Zudem werden alle Fragen geklärt, die du zur Geburt hast. Du kannst der Hebamme hier auch direkt sagen, ob du zum Beispiel Schmerzmittel nehmen möchtest oder dies ablehnst. Außerdem wirst du bei diesem Gespräch auch gefragt, ob du stillen möchtest. Besprich deinen Wunsch direkt mit der Hebamme und stelle klar, dass du nicht stillen willst. Hier wird dir dann auch alles zum Thema Abstilltabletten oder alternativen Möglichkeiten empfohlen.
Nach diesem Termin bist du, was dieses Thema angeht, sicher schon etwas entspannter und du kannst dich darum kümmern, Flaschen, Sauger und Pre-Milchpulver für dein Baby einzukaufen. Denn diese Sachen sollten dann, wenn du mit deinem Kind aus dem Krankenhaus kommst, natürlich zu Hause bereitstehen.
Stillen oder Nicht-Stillen – Nur die Mutter sollte dies entscheiden
Zuletzt muss auch gesagt werden, dass es jeder Mutter selbst überlassen ist, ob sie stillen möchte oder eben nicht. Es ist einfach ein Unding unserer Gesellschaft, dass Menschen sich Meinungen zu derart privaten und sensiblen Themen anmaßen. Junge Mütter werden so durch das äußere Umfeld oder Meinungen des Internets oft schon vor der Geburt ihres Kindes stark verunsichert.
Stillen oder nicht stillen, Tragen oder nicht Tragen, Familienbett oder eigenes Babyzimmer, früher Kindergarteneintritt oder später Start in die Betreuung außer Haus: es gibt so viele Themen in Sachen Babys und Kinder, über die die Meinungen auseinandergehen. Da muss man als Mutter manchmal einfach mal die Ohren auf Durchzug stellen und mit einer gewissen Portion Selbstbewusstsein seine Ansicht durchziehen. Rechtfertigen muss man sich dafür nicht, denn es geht niemand außer Mutter, Vater und Kind etwas an, welchen Weg man für sich selbst wählt. Und so lange unsere Kleinen behütet und geliebt aufwachsen und mit allem versorgt sind, was sie brauchen, dann kann das niemals ein falscher Weg sein.
Letzte Aktualisierung am 8.10.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
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